Konsequenzen des Ukraine-Kriegs für Eisenbahn in Niedersachsen/Bremen
Hannover, 20.03.2022
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat vielfältige kurz- und langfristige Auswirkungen auch auf den öffentlichen Personenverkehr in Niedersachsen und Bremen. Damit hat sich der Landesausschuss des Fahrgastverbandes PRO BAHN Niedersachsen/Bremen am 19.03.22 in Hannover ausführlich befasst.
Kostenlose Beförderung von Ukraine-Flüchtlingen wichtige Geste
PRO BAHN Niedersachsen/Bremen hat auf seiner gestrigen Sitzung des Landesausschusses in Hannover dem Geschäftsführer der metronom Eisenbahngesellschaft, Dr. Lorenz Kasch, stellvertretend für zahlreiche andere Verkehrsunternehmen, die Ukraine-Flüchtlinge unentgeltlich befördern, für das Engagement gedankt. Der Fahrgastverband findet diese Entscheidung einen wichtigen und gebotenen Akt der Solidarität mit den zahlreichen Menschen, die derzeit infolge des russischen Überfalls auf die Ukraine auf der Flucht sind und ihre Heimat aufgeben mussten.
Nachdem die Deutsche Bahn bereits Ende Februar ihre Fernzüge aus Polen für Flüchtlinge öffnete, gehörte metronom zu den ersten Bahngesellschaften, die auch die inländischen Nahverkehrszüge freigaben. Inzwischen gilt dies für praktisch alle Bahngesellschaften, da der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen bald darauf nachgezogen hat. PRO BAHN Niedersachsen/Bremen fordert, diese Regelung so lange wie nötig beizubehalten.
Mehr Elektrifizierungen für größere Unabhängigkeit von russischer Energie
Der russische Krieg gegen die Ukraine zwingt auch die Verkehrspolitik in Niedersachsen und Bremen zu Änderungen, denn wie in der ganzen Bundesrepublik ist der öffentliche Personen- und Güterverkehr im Nordwesten noch viel zu stark von fossilen Brennstoffen abhängig, die zu großen Teilen aus Russland kommen. PRO BAHN fordert hier von der Landespolitik ein schnelles, entschlossenes Handeln und Umsteuern. Dazu gehört ein breitangelegtes Programm zur Elektrifizierung von Eisenbahnstrecken.
„Während in Bremen das Eisenbahnnetz bis auf einzelne Anschlussgleise vollständig elektrifiziert ist, klaffen in Niedersachsen immer noch große Lücken im Fahrdraht“, erklärt Malte Diehl, Landesvorsitzender von PRO BAHN, die aktuelle Lage. „In den letzten Jahren hat sich hier kaum etwas getan, lediglich die Strecke Oldenburg – Wilhelmshaven wurde elektrifiziert. Das sind gerade einmal 50 Kilometer bei einem Eisenbahnnetz von mehreren tausend Kilometern in Niedersachsen allein. Dabei ist eine Elektrifizierung der einfachste, günstigste und umweltschonendste Weg, von Russland unabhängig zu werden.“
Wasserstoff nur Notlösung: geringer Wirkungsgrad und hohe Betriebskosten
Solange Dieselfahrzeuge auf der Schiene eingesetzt werden, entsteht notgedrungen ein großer Teil des Kraftstoffs aus russischem Rohöl. Elektrische Energie dagegen wird immer stärker aus erneuerbaren Energien gewonnen, die Deutschland selbst produzieren kann. Hinzu kommt, dass eine Oberleitung aufgrund des höheren Wirkungsgrades und der fehlenden Notwendigkeit, im Fahrzeug eine schwere Batterie vorzuhalten, der umweltfreundlichste und betrieblich günstigste Weg ist, um sich vom Öl zu verabschieden. Sowohl Batteriefahrzeuge und vor allem Wasserstoff-Fahrzeuge schneiden hier deutlich schlechter ab; letztere gerade auch bei den Fahreigenschaften, so dass sie nur dort eingesetzt werden sollten, wo weder Elektrifizierung noch Batteriebetrieb sinnvoll umsetzbar sind.
Sofortprogramm Elektrifizierung gefordert
Für die kommende Legislaturperiode in Niedersachsen fordert PRO BAHN nun ein Sofortprogramm zur Elektrifizierung von Eisenbahnstrecken. „Alle wichtigen Verbindungen im Regionalverkehr müssen in naher Zukunft elektrifiziert werden. Dies wird vom Bund auch massiv gefördert. Niedersachsen muss diese Mittel nutzen“, fordert Diehl und nennt ein Beispiel: „Gemäß einem aktuellen Gutachten der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen würde die Elektrifizierung zwischen Oldenburg und Osnabrück etwa 145 Mio. € kosten. Davon könnte der Bund 90 % zahlen. Das Land müsste für 110 Kilometer Strecke also nur 14,5 Mio. € ausgeben. Worauf warten wir also noch?“
PRO BAHN Niedersachsen/Bremen hat dazu eine Liste von Strecken aufgestellt, die in Niedersachsen dringend elektrifiziert werden sollten. Dazu gehören mit höchster Priorität außer der bereits genannten Strecke Oldenburg – Osnabrück:
- Cuxhaven – Bremerhaven
- Cuxhaven – Stade
- Langwedel – Soltau – Uelzen
- Hildesheim – Goslar – Bad Harzburg – Landesgrenze (– Halle)
- Elze – Hameln – Löhne
- Ihrhove – Landesgrenze (– Groningen)
Der Fahrgastverband fordert das Land auf, die Planungen zur Elektrifizierung schnellstmöglich aufzunehmen und die dafür benötigten Kapazitäten bereitzustellen. Außerdem soll sich Niedersachsen auf Bundesebene dafür einsetzen, die überlangen Planungsprozesse zu entschlacken und die Bauzeit, wo möglich, durch reduzierte technische Standards zu verkürzen.
Statt Tankrabatt: ÖPNV ausbauen, Umstieg ermöglichen!
Schließlich kritisiert PRO BAHN auch die Planungen, die Spritpreise an den Tankstellen zu subventionieren, wie dies derzeit auf Bundesebene geplant wird. Stattdessen sollte das damit gebundene Geld lieber auf Landesebene für ein weiteres Sofortprogramm für den ÖPNV ausgegeben werden, um den Menschen überhaupt den Umstieg zu ermöglichen. Gerade in Niedersachsen sind viele Landkreise weiterhin regelrechte ÖPNV-Wüsten.